Erdkabel: Na also, geht doch – jetzt in Deutschland, morgen in Österreich!

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Wer wie wir auf Nachrichten zum Thema "Erdkabel" abonniert ist, hat momentan einen Tsunami in der Mailbox. In der Nacht auf Donnerstag fand in Berlin ein Energiegipfel der großen Koalition (Foto: Seehofer, Merkel, Gabriel) statt. Eins der Ergebnisse: Nach jahrelangen heftigsten Widerständen von Bürgerinitiativen und, ja: auch nach höchst populistischen Winkelzügen des bayrischen Ministerpräsidenten Seehofer gab es einen Durchbruch. Für die "Monstertrassen" der geplanten 380-kV-Leitungen zwischen Nord- und Süddeutschland bekommen jetzt Erdverkabelungen Vorrang. Damit endlich etwas weitergeht.

Wer Deutschland bereist, weiß, dass die Verspargelung der Landschaft mit Hochspannungsmasten und Windrädern in vielen Regionen Ausmaße angenommen hat, von denen Österreich großteils noch ein gutes Stück entfernt ist. Die Energiewende soll aber bei unseren Nachbarn zusätzlich noch viele Kilometer Stromtrassen draufsatteln, um den überwiegend im Norden gewonnenen Windstrom in den Süden zu leiten: 36 Einzelprojekte, 2900 km neue Freileitungen. Kein Wunder, dass das vielen Menschen über die Hutschnur geht. Kaum eine Gemeinde in den Planungskorridoren, wo sich nicht eine Initiative gebildet hat, die für Erdverkabelung kämpft.

Ausgerechnet Politikerschläue des bayrischen Koalitionspartner CSU hat nun ein mittleres Erdbeben im Netzausbau ausgelöst. Waren bisher nur wenige Kilometer "Pilotstrecken" für die Erdverkabelung vorgesehen, so bekommen jetzt Erdverkabelungen "Vorrang" vor den Freileitungen mit teils um die 70 Meter hohen Masten. Und plötzlich sind alle in Stein gemeißelten Argumente gegen Erdkabel Makulatur. Technische Probleme? Astronomische Kosten? – Wenn der politische Wille da ist, kein Thema mehr.

380 kV in Deutschland – 110 kV in Oberösterreich: vergleichbar?
Unsere Mitstreiter von der Front an der geplanten Salzburgleitung bekommen direkten Rückenwind durch die Entwicklung in Deutschland. Aber wir zwischen Vorchdorf und Kirchdorf sowie Ried-Raab? Ohne in die technischen Details zu gehen: Die Erdverkabelung von Höchstspannungs-Gleichstromübertragung (380 kV und mehr) und Hochspannung ist unterschiedlich wie ein ICE und eine Straßenbahn, keine Frage. Aber völlig gleich ist, wie man damit umgehen kann, nämlich Prioritäten richtig setzen: Lebensqualität und Umweltschutz (gerne auch verwendet: DER MENSCH!) gehen vor Markt- und Finanzinteressen.

Was außerdem immer wieder zu erleben ist: Panikmache und gezielte Desinformation. Selbst die im Vergleich zu 110 kV vielfach teureren Verkabelungen von 380-kV-HGÜ werden in Deutschland nun mit zusätzlichen 0,15 bis 0,3 Cent (!) pro Kilowattstunde beim Strompreis bepreist. Neu ist an dieser Darstellung, dass bisher immer von vielstelligen Milliardenbeträgen oder von zwei- bis zehnfach höheren Kosten für Erdkabel geredet wurde. Und natürlich davon, dass die nicht ausreichend erprobt und daher unsicher seien. Wir reden bei den Kosten übrigens immer jetzt von plus 1,18 Euro pro Jahr (!) und Stromkunde der Energie AG, wenn zwischen Vorchdorf und Kirchdorf das Erdkabel kommt.

Große Teile der Politik und die Energiekonzerne haben bisher denselben Unsinn erzählt
Hier ist die Parallele zwischen Österreich und Deutschland nun offensichtlich: Solange es irgendwie geht, wird unbeirrt von jeder Sachkenntnis (Politik) oder wider besseres Wissen (Netzbetreiber) suggeriert, Freileitungen seien alternativlos. Dasselbe Stück mit leichten Variationen auf jeder Bühne: APG bei der Salzburgleitung, Wiener Netze in Kottingbrunn, KELAG bei Villach, Energie AG hier und im Innviertel. Und der Plot des Stücks ist immer so wie jetzt in Deutschland: Wo ein Wille, da ist auch ein Weg. Auch wenn der manchmal über politische Zickzackkurse führt.

 

 

Verfasst von 110kV ade am 3. Juli 2015 - 18:03
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